Interview mit Diakon Martin Schmid
16 Jahre lang war Martin Schmid als Diakon in Stift Urach tätig. Ende September beendet er seinen 50% Dienstauftrag im Stift. Elke Maihöfer und Ute Bögel haben ihn interviewt.
Elke Maihöfer:
Herr Schmid, haben Sie einen Lieblingsort im Stift und wenn ja, welcher ist es?
Ohne Frage, der Innenhof mit der Linde. Warum das so ist, habe ich im Editorial und mit dem Gedicht von Ulrich Schaffer schon beschrieben. Neben der Kapelle und der Kirche macht der Innenhof für mich das Einkehrhaus zu einem Kraftort für die Seele. Jetzt gerade ist es das satte Grün, das ich vor Augen habe. Ebenso faszinierend ist der Herbst, wenn dann die manchmal fast goldenen Blätter herunter regnen. Und unvergesslich bleibt die Erinnerung an Silvesterabende, als die kahle Linde bei Einkehrtagen mit langen Wunderkerzen illuminiert und dazu die Feuerwerksmusik von Händel eingespielt wurde.
Ute Bögel: Was waren für dich persönlich Highlights?
Eigentlich immer die Schweigetage, weil ich durch die persönliche Vorbereitung schon profitiert habe und die Atmosphäre sehr dicht war. Die Einkehrtage zu Silvester 2024 waren ganz sicher eines meiner absoluten Highlights in meiner gesamten beruflichen Zeit als Diakon. Die emotionale Bandbreite reichte von einer absolut ausgelassenen Fröhlichkeit beim „Kruschtwichteln“ am Silvesterabend bis zu einer unglaublichen Tiefe, als Menschen in der großen Gruppe davon erzählt haben, wie sich in teilweise ausweglosen Situationen Türen geöffnet haben. Von Anfang bis zum Ende haben wir unser Motto erlebt: „Die Tür ist offen – das Herz noch mehr.“
EM: Gibt es auch manches, das Sie vermissen werden?
Da gibt es vieles. Tolle Mitarbeitende, die sich mit Herz und Leidenschaft darum kümmern, dass die Gäste sich wohlfühlen können. Das Stift Urach ist ein wundervoller Ort der Begegnung. Manchmal sage ich, dass ich hier Menschen aus meinem ganzen Leben treffe. Auch Menschen, die ich aus anderen Zusammenhängen kenne. Darüber hinaus ist es ungemein spannend auf noch unbekannte Menschen zu treffen, in ihre Lebensgeschichten einzutauchen und sie vielleicht auch ein Stück weit zu begleiten. Was für ein Reichtum an gelebtem Leben, mit allem, was dazu gehört, sei es Glück oder Schmerz.
UB: Ein Wunsch fürs Einkehrhaus Stift Urach …
Menschen brauchen in dieser verrückten Zeit der individuellen und globalen Krise so etwas wie eine Herberge für die Seele. Von so vielen weiß ich, dass sie das suchen und dass sie das hier auch finden. Das Stift Urach hat als geistlicher und klösterlicher Ort ein Alleinstellungsmerkmal in der Landeskirche. Umso schmerzlicher war es für mich schon vor Jahren, dass die Kirchenleitung aus mir und vielen anderen nicht nachvollziehbaren Gründen die enge Verbindung von Tagungshaus und Einkehrhaus aufgelöst hat. Ein Prozess, der sich ab 2026 durch eine Halbierung der personellen Ressourcen im Bereich der Seminararbeit und der Gästebegleitung dramatisch verschärfen wird. Ich wünsche mir von der Landeskirche die Wertschätzung und Unterstützung, die das Einkehrhaus als Kraft- und Segensort braucht.
EM: Möchten Sie uns verraten, ob Sie schon Ideen haben, wie Sie die freien Zeitfenster gestalten wollen?
Mein Ziel war es, vor dem Übergang in den Ruhestand (2028) die Stelle etwas zu reduzieren. Nach meinem Ausscheiden im Einkehrhaus wird meine Stelle in der Altenheimseelsorge in Reutlingen von 50% auf 75% erhöht. Darüber freue ich mich sehr. Die Kombination von Existenziellem, Spirituellem, Vernetzung, Innovation und Kirchenentwicklung erfüllt mich voll und ganz. Gleichzeitig ergeben sich für meine Frau und für mich Spielräume für Eigenes. Dem Stift werde ich auf jeden Fall verbunden bleiben und in diesem und im nächsten Jahr ehrenamtlich einzelne Seminare gestalten. Mich wird es immer wieder gerne hierherziehen.
EM: Wir wünschen Ihnen, dass Sie die neuen Freiräume genießen können und weiterhin Freude, gute Ideen und die nötigen Kräfte für Ihre Aufgaben in der Altenheimseelsorge haben. Möge Gottes Segen Sie und Ihre Frau spürbar begleiten.